Vorsicht bei Formulargutachten !!!

Formulargutachten

Bauzeitkosten selbst berechnen? Baubeginnverschiebung vergüten lassen?

Schon seit längerer Zeit kursieren verschiedene, ähnlich konzipierte Formulargutachten zur Geltendmachung von Mehrforderungen aus gestörten Bauabläufen und Bauzeitverlängerung. Gerade in den sozialen Netzwerken wird die Durchsetzung baubetrieblicher Ansprüche quasi im Handumdrehen unter klickträchtigen Slogans wie „Bauzeitkosten selbst berechnen“ oder „Baubeginnverschiebung vergüten lassen“ gepaart mit größtmöglichen Heilsversprechungen intensiv beworben. Doch so einfach ist es leider nicht!

Im Ergebnis steht häufig ein Abo-Modell oder eine Kaufsoftware, mit deren Hilfe speziell kleine und mittelständische Unternehmen die Berechnung von Mehrkosten durch Bauablaufstörungen leicht und selbständig vornehmen können (sollen).

Mit einer für den Unternehmer überschaubaren Anzahl von Eingaben zu den Grundlagen seiner Kalkulation, den Vertragsterminen und den Behinderungen im Bauablauf lässt sich mehr oder weniger auf Knopfdruck ein Formulargutachten erzeugen, mit dem sich vermeintliche Ansprüche aus gestörtem Bauablauf schnell und einfach beim Auftraggeber als Nachtrag platzieren lassen. Soweit – so schlecht.

Berechnung Allgemeine Geschäftskosten

Bei näherer Betrachtung solcher Ausarbeitungen – Gutachten möchte ich das nicht nennen – fällt dem fachkundigen Betrachter schnell auf, dass die Inhalte mit der konkreten Projektkalkulation des Unternehmens wenig zu tun haben. Dass die Allgemeinen Geschäftskosten nur vorgeblich „in Zusammenarbeit mit unserem Steuerberater“ ermittelt worden sind, lässt sich spätestens dann erkennen, wenn der Bauherr das gleiche Formulargutachten z.B. durch das Erdbauunternehmen und den Malerbetrieb vorgelegt bekommt. Denn die Gliederungspositionen sind identisch; die arbeitstäglichen Kosten sind prozentual gleich verteilt und werden lediglich anhand des AGK-Zuschlagssatzes auf das konkrete Projekt skaliert.

Neben dieser somit nicht unternehmensspezifischen Gliederung der AGK fällt der Umstand ins Auge, dass die AGK per Unterdeckungsberechnung geltend gemacht werden, obwohl der BGH mit Urteil VII 33/19 vom 30.01.2020 der Unterdeckungsberechnung bei Ansprüchen nach § 642 BGB eine klare Absage erteilt hat.

Kein Wunder auch, dass in den allgemeinen Erläuterungen zur Anspruchsgrundlage sehr selektiv fast ausschließlich untergerichtliche Urteile, teils aus dem Zusammenhang gerissen, von überwiegend Kammergerichten zitiert werden, um den vermeintlichen Anspruch zu stützen.

Berechnung Baustellengemeinkosten

Ähnlich gestaltet sich das Bild bei den Baustellengemeinkosten. Auch hier wird die Gliederung nicht anhand der konkreten Projektkalkulation des AN vorgenommen, sondern formularmäßig anhand des Zuschlages in eine unternehmens- und projektunabhängig vorgegebene Gliederung skaliert. So kommt es schonmal vor, dass ein Erdbauunternehmer prozentual den gleichen Anteil an z.B. Hilfskonstruktionen, Verschnitt oder Winterbaumaßnahmen hat, wie der Malerbetrieb. Oder ebenjener Maler Kosten für die Koordination von Nachunternehmern, obwohl er ausschließlich Eigenleistung erbringt.

Die Geltendmachung der BGK wird ebenfalls als Unterdeckungsberechnung vorgenommen – ohne jeglichen Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen. Auch hier knüpfen die Obergerichte, allen voran der BGH, den Anspruch richtigerweise an den konkreten Nachweis der tatsächlichen Kosten. Dieser Nachweis unterbleibt vollständig. Da kommt es schon mal vor, dass bei einer Baubeginnverschiebung Entschädigung u.a. für die Vorhaltung der Baustelleneinrichtung verlangt wird, obwohl diese die Baustelle noch nicht einmal eingerichtet worden ist…

Zu guter Letzt werden auch Entschädigungsanteile für Wagnis und Gewinn per Unterdeckungsberechnung ermittelt.

Bauablaufbezogene Darstellung? Fehlanzeige!

Auf eine fundierte bauablaufbezogene Darstellung wird in derartigen Formulargutachten selbstredend gleich ganz verzichtet, auch wenn diese in begründeten Einzelfällen durchaus entbehrlich sein kann. Dagegen mangelt es derartigen Ausarbeitungen üblicherweise nicht an vorformulierten Erläuterungen mit allerlei Allgemeinplätzen zu Erschwernissen und Mehraufwendungen, die jedoch für das konkrete Projekt oft gar nicht zutreffen.

Summa summarum sind Formulargutachten im Projektgeschäft weit überwiegend nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Trotz zum Teil horrender Abo- und Softwaregebühren.

Die Gefahr liegt für den gutgläubigen Unternehmer oft darin, die weitere Projektabwicklung an die Zahlung dieser vermeintlichen Ansprüche zu knüpfen, die dann allzu oft wie eine Seifenblase zerplatzen. Wenn der AN dann auch noch eine Leistungsverweigerung, vielleicht sogar eine Vertragskündigung darauf stützt, ist der Schaden und die Verwunderung groß.

Aus diesem Grund rate ich zu äußerster Vorsicht bei Formulargutachten. Die Durchsetzung von Forderungen aus gestörten Bauabläufen und Bauzeitverlängerung ist eben keine triviale Angelegenheit zum Selbermachen für Jedermann, sondern erfordert in aller Regel eine fundierte baubetrieblich-juristische Begleitung des Schriftverkehrs und der Dokumentation, eine dezidierte Nachweisführung und eine am konkreten Projekt und der Kalkulation orientierte Aufbereitung!

Wobei natürlich nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, dass sich insbesondere schlecht beratene Auftraggeber in Einzelfällen durchaus zu einer vergleichsweisen Zahlung verleiten lassen. Im Zweifel lassen sich derartigen Ansprüche aus Formulargutachten jedoch gerade NICHT rechtssicher durchsetzen.

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