Dear BGH, tear down this wall!!!
Der BGH muss nun endlich den Mut haben, eine Gerechtigkeitslücke zu schließen die nun seit Jahrzehnten den geschädigten Unternehmen berechtigte Ansprüche aus gestörten Bauabläufen vorenthält.
Mit dem Urteil des BGH „Vorunternehmer I“ vom 27.06.1985 wurde der Unternehmer bei Verzögerungen im Bauablauf durch fehlende bauseitige Vorleistungen weitestgehend rechtlos gestellt. Durch das BGH-Urteil „Vorunternehmer II“ aus dem Jahr 1999 wurde diese offenkundige Ungerechtigkeit durch die Aktivierung des § 642 BGB für den gestörten Bauablauf nur sehr unzureichend geheilt, denn die konkretisierenden Urteile zu Dauer und Höhe der Entschädigung schränken die Kompensationsansprüche des Unternehmers inzwischen faktisch so stark ein, dass allzu oft nur Bruchteile der kausal verursachten Mehrkosten entschädigt werden. Da einerseits die Sekundärfolgen des Annahmeverzuges ausgenommen sind und die Entschädigung andererseits auf die unproduktive Vorhaltung der Produktionsmittel im engeren Sinne beschränkt ist, ist § 642 inzwischen zu einem Anspruch ohne echten Wert verkommen.
Kürzlich wurde durch ein Kammergericht mit dem Urteil 21 U 128/23 vom 27.08.2024 dahingehend geurteilt, dass eine zeitliche Verschiebung von Vorleistungen als ändernde Anordnung i.S.d. § 2 Abs. 5 VOB/B gewertet werden kann, wenn für den Auftraggeber erkennbar war, dass dem Auftragnehmer hieraus Mehrkosten entstehen können. Aus Sicht des Verfassers eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung, eine offenkundige Gerechtigkeitslücke nach Jahrzehnten endlich einmal zu schließen.
Kritische Stimmen ließen jedoch nicht lange auf sich warten, dass diese Rechtsprechung sich nicht durchsetzen werde, u.a. da dem Auftraggeber eine Anordnung unterstellt und hierbei Risiken einseitig überlagert werden.
Unbestritten kann die Urteilsbegründung mit Rückgriff auf eine „andere Anordnung“ i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B kritisiert werden, jedoch muss man schon mal erklären, welche Risiken bei dieser Rechtsprechung vorgeblich einseitig überlagert werden sollen. Dass Auftraggeber durch fortwährende Terminplanfortschreibungen plötzlich nicht mehr vogelwild und häufig nahezu sanktionslos die Ausführungstermine des Auftragnehmers verschieben dürfen?
Letzteres ist leider allzu oft die Praxis. Nicht selten können zweifelsfrei nachweisbare Mehrkosten in erheblicher Größenordnung nicht durchgesetzt werden, obwohl der Auftraggeber durch permanente Neuterminierung der Vorunternehmerleistungen zweifelsfrei und kausal die gesamte Leistungserbringung des Auftragnehmers erheblich gestört und zeitlich verlängert hat. Und das alles nur, weil ein untaugliches juristisches Konstrukt – die Anspruchsgrundlage – über eine inhaltlich unstrittige AG-Störung gelegt wird?
Auch wenn die konkrete Urteilsbegründung rechtlich durchaus kritisch gesehen werden darf, kann der Appell an den BGH nur lauten, die Rechtsprechung in Bezug auf verzögerte Vorunternehmerleistungen zu korrigieren und damit die Gerechtigkeitslücke endlich zu schließen. Die Problematik ist seit langem bekannt; Lösungsansätze wurden hinreichend diskutiert. Es ist an der Zeit für einen echten Paradigmenwechsel.
Allein mir fehlt der Glaube. Denn mit dem jüngsten Urteil vom 19.09.2024 (VII ZR 10/24) hat man in dieser Causa wieder nicht im Sinne der Gerechtigkeit geurteilt, sondern am Status Quo festgehalten.
Dear BGH, tear down this wall!